Ich blickte wieder auf meine Uhr ung begann wie an Silvester rückwärts zu zählen. Die anderen stimmten mit ein: "10 ...,
9 ..., 8 ..., 7 ..., 6 ..., 5 ..., 4 ..., 3 ...," langsam begann sich unsere Umgebung zu drehen und zu verschwim-men.
"2 ..., 1 ..., 0."
Endlich wieder zu Hause.
Mein Blick fiel auf den Zettel den ich zuvor in dem Labor hatte mitgehen lassen;
Wir stiegen in die Zeitkapsel, der Deckel wurde geschlossen und wir schnallten uns an. Langsam begann die Kapsel sich zu drehen, dann immer schneller und schneller,
bis die Landschaft auf der anderen Seite des Glases verschwamm. Wir wurden an die Wand gedrückt, ich sah und hörte nichts mehr und gerade als ich schon dachte, es würde nie mehr aufhören:
Stille!
Vorsichtig öffnete ich die Augen und schloss sie sogleich wieder, da gleißendes Licht mich blendete. Ich startete einen zweiten Versuch und blickte mich erstaunt
um. Es lag Schnee! Alles um uns herum lag unter einer dicken, weißen Decke. Schon seit Jahren hatte ich keinen richtigen Schnee mehr gesehen. Ich hatte ihn vermisst. All die Schneeballschlachten,
Schneemänner und Iglus die ich als Kleinkind so gerne gebaut hatte, kamen mir wieder in den Kopf. Es schien, als würde in Zukunft tatsächlich wieder Schnee liegen! Ob Corona wohl der Grund war?
Jemand tippte mir auf die Schulter und ich erwachte aus meinen Tagträumen. Es war Leonie: „Komm Tim! Wir müssen uns beeilen! Wir haben nicht mehr viel Zeit!“
Sie hatte recht, wir mussten unsere Mission innerhalb der nächsten Stunde erledigen, sonst würden wir nicht mehr zurückkommen. Schnell sprang ich auf und drückte mit Hilfe von Leonie und Lee, dem Dritten und Letzten im Bunde, den Deckel der Kapsel auf. Nacheinander sprangen wir aus der Kapsel in den Schnee. Wir blickten uns um, und wie der Professor uns versprochen hatte, konnten wir in der Ferne ein großes Gebäude erblicken. Wir schauten uns noch einmal an und stapften dann los. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Lee sah ziemlich aufgeregt aus, kein Wunder, er war erst 13 und damit zwei Jahre jünger als Leonie und ich, aber er war flink und wendig und vor allem klein. Damit war er unverzichtbar bei der Mission, unbemerkt den Impfstoff gegen Covid 19 ausfindig zu machen und mit in unsere Zeitlinie zu bringen, um die Pandemie zu stoppen. Das alles musste im Geheimen geschehen, keiner sollte je erfahren, dass es eine funktionierende Zeitmaschine gibt.
Trotzdem machte ich mir Sorgen um meinen kleinen Bruder - und natürlich auch um meine beste Freundin Leonie. Aber wir hatten keine andere Möglichkeit, immerhin waren wir so ziemlich die Einzigen, die von der Zeitmaschine des verrückten Professors wussten (der ganz nebenbei mein Opa war). Und das sollte auch so bleiben.
Eine Viertelstunde später standen wir vor dem Gebäude. Verdammt, so viel Zeit hatten wir nicht eingeplant. Wer hätte auch ahnen können, dass die Menschheit in der Zukunft das Klima endlich wieder in den Griff bekommen und dadurch wieder Schnee liegen würde.
Gemeinsam gingen wir hinter einer großen Buche in Deckung, bevor ich mich daran machte, einen Gebäudeplan aus meiner Tasche zu kramen. Ich breitete ihn auf meinem Schoß aus und ergriff das Wort: „Okay, der Notausgang liegt dort vorne, von außen sind keine Überwachungskameras angebracht, den Schlüssel müsste der Professor vor einigen Stunden auf diese Buche gelegt haben. Also, Lee, jetzt kommt dein Einsatz.“
Lee nickte und kletterte erst auf meine Schultern und dann von dort aus auf den Baum. Nach nicht einmal einer Minute hörten wir ein triumphierendes: „Ich hab ihn!“ von oben, dann landete mein Bruder auch schon neben uns und grinste uns an. Mir war nicht wirklich nach guter Laune zumute. Noch hatten wir es nicht geschafft. Ich setzte meinen Rucksack wieder auf, den Plan behielt ich in der Hand. Zusammen gingen wir zur Hintertür. Wachsam blickten wir uns um, begegneten jedoch niemanden. Leonie nahm den Schlüssel von Lee entgegen und drehte ihn im Schloss herum. Die Tür schwang auf und ich atmete erleichtert auf. Nacheinander schlüpften wir hinein und lehnten die Tür nur an, damit wir auf dem Rückweg wieder hinauskommen würden. Ich übernahm die Führung, da ich den Gebäudeplan zuvor studiert hatte, Lee lief in der Mitte und Leonie bildete das Schlusslicht.
Leise schlichen wir durch die Gänge, ich hatte unser Ziel genau vor Augen. Plötzlich öffnete sich eine Tür an der Seite des Ganges. Schnell pressten wir uns gegen die Wand. Wir wagten es kaum zu atmen, als ein Mann mittleren Alters aus der Tür hinaustrat und zackig in die entgegengesetzte Richtung lief. Er hatte uns nicht bemerkt. Zum Glück. Wir fassten uns ein Herz und gingen weiter. Nach fünf weiteren Minuten erreichten wir unser Ziel im dritten Stock.
Eine Holztür auf der mit goldenen Ziffern 221 stand. Wir blickten uns einmal zu allen Seiten um, bevor Leonie mit einem Draht das Türschloss knackte. Schnell traten wir ein und schlossen die Tür hinter uns, um kein Aufsehen zu erregen. Dann schauten wir uns um: Wir befanden uns in einem großen Raum mit einer Fensterfront und vielen weißen Schränken mit winzigen Beschriftungen. Wir teilten uns auf und begannen nach einem Schrank mit der Aufschrift „Covid 19“ zu suchen.
Ich schlich leise an den Schränken entlang, während ich versuchte, die kleinen unleserlichen Beschriftungen zu entziffern. Ich wollte mir gerade die nächste Reihe vornehmen, als ich von Lee ein leises „Kommt, ich habe den richtigen gefunden, aber er ist mit einem Zahlencode gesichert!“ hörte. Keine 30 Sekunden später standen wir zu dritt vor dem Zahlenschloss. Lee und ich blickten etwas ratlos drein, wohingegen Leonie sich sogleich ans Werk machte. Mit einer Lupe untersuchte sie die Tasten und stellte fest: „2, 3, 7 sind abgenutzter als die anderen!“. Blitzschnell rechnete sie im Kopf: „Das macht 6 Möglichkeiten. Außerdem wird nach dem 3. Versuch, bei dem ich falsch liege, wahrscheinlich ein Alarm ausgelöst, dann müssen wir uns beeilen!“ Schnell begann sie, die Möglichkeiten einzutippen. 2, 3, 7 – falsch. 2,7,3 – falsch. Ich atmete tief ein. 3,2,7 – falsch. „Scheiße“, zischte ich, während Leonie fieberhaft die nächsten Kombinationen eintippte: 3, 7, 2 – falsch. 7, 3, 2 – es klickte und die Schranktür schwang auf. Doch zum Verschnaufen war es noch zu früh. Gehetzt packten wir einige Reagenzgläser mit dem Impfstoff, da bemerkte ich einen Zettel, der zwischen den Gläsern lag. In der Hoffnung er würde wichtig sein, stopfte ich ihn ebenfalls in meinen gepolsterten Rucksack. Ich konnte nur beten, dass bei der Flucht nichts zu Schaden kommen würde.
Da hörte ich lautes Getrampel hinter der Tür. Verdammt, wir würden es nicht mehr schaffen! Einen anderen Weg gab es nicht und wir befanden uns immerhin im dritten Stockwerk. Im Gegensatz zu mir hatte Lee anscheinend durchaus noch Hoffnung: „Kommt her! Schnell!“ Er stand vor einem geöffneten Fenster. Mein Bruder war inzwischen schon halb aus dem Fenster geklettert und hing nur noch mit einer Hand am Fenster, den Fuß hatte er gegen die Wand gestützt und er strecke sich von der Wand weg in Richtung eines Baumes. Nur noch wenige Zentimeter befanden sich zwischen seiner Hand und einem Ast, der gerade dick genug aussah, um einen von uns zu tragen. Entsetzt musste ich mit ansehen, wie Lee sich plötzliche von der Wand abdrückte und sprang.
Die Sekunden kamen mir wie Minuten vor, doch dann erreichte seine Hand den Ast und er griff zu. Einen Moment dachte ich, er würde abrutschen, doch er zog sich ein Stück weiter nach hinten und als er sicher saß, rief er mir zu, ich solle den Rucksack zu ihm hinüberwerfen. Ich löste mich aus meiner Starre und tat wie mir geheißen, dann kletterte ich ihm hinterher, was mir, dank meiner Größe, auch gelang. Nun musste nur noch Leonie durch das Fenster steigen, was auch sie schnell schaffte. Dann kletterten wir mit Lees Anweisungen abwärts und sprangen in den Schnee.
Sofort sprinteten wir los. Inzwischen musste die Security den fehlenden Impfstoff bemerkt haben. Es blieb nur zu hoffen, dass sie noch nicht das offene Fenster gesehen hatten. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr: noch 13 Minuten! Hoffentlich würden wir das noch packen!
Ausdauer war noch nie mein Ding gewesen, und auch Lee und Leonie konnten sich nach zehn Minuten Dauersprint durch den Schnee nicht mehr gut auf den Beinen halten. Doch schließlich hatten wir es geschafft. Mehr stolpernd als rennend kamen wir bei der Zeitkapsel an und machten uns daran das Dach der Kuppel zu öffnen. Erst passierte nichts und ich merkte schon, wie Panik in mir hochkroch, als das Dach letztendlich doch mit einem Knarzen nachgab. Nacheinander kletterten wir hinein, schlossen die Luke und schnallten uns an. Nichts geschah. Ich blickte auf die Uhr und atmete angespannt aus. Uns blieb noch eine Minute. Noch ein letztes Mal blickte ich nach draußen und erschrak, als ich einen Trupp Männer auf uns zu laufen sah.
Lee und Leonie hatten sie auch bemerkt, doch wirklich Angst hatten wir nicht mehr. Ich blickte wieder auf meine Uhr und begann wie an Silvester rückwärts zu zählen. Die anderen stimmten mit ein: „10 …, 9 …, 8 …, 7 …, 6 …, 5 …, 4 …, 3 …“, langsam begann sich unsere Umgebung zu drehen und zu verschwimmen „2 …, 1 …, 0“.
Endlich wieder zu Hause. Mein Blick fiel auf den Zettel den ich zuvor in dem Labor hatte mitgehen lassen; es war ein Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 2023:
Corona
Nachdem weltweit Millionen Menschen unter der Pandemie und ihren Folgen leiden mussten, konnten wir
nun durch den Impfstoff wieder zurück in unseren Alltag finden.
Vieles hat sich geändert, die Politik konzentriert sich nun auf Angelegenheiten, die schon lange
anstehen. Die Klimakrise wurde bewältigt und das 1,5 Grad Ziel der Klimapolitik wurde erreicht.
Es gibt weniger Flüge und dafür mehr Fahrradwege, Elektroautos und seit neustem entwickelte
Wasserstoffautos. Auch gibt es mehr Umweltschutz und Artenschutz, da die Seuche, wie nun
bestätigt, von Fledermäusen ausging, dies allerdings nur geschehen konnte, weil die Menschen die
Tiere in ihren Lebensräumen eingeschränkten und durch das dichte Beieinander-Leben leicht
Krankheiten übertragen werden können. Durch in der Corona Zeit gewonnene Erfahrungen mit
Homeschooling und der Arbeit im Homeoffice wird die Technik und ein sinnvoller Umgang mit
Medien nun vor allem in Schulen deutlich mehr gefördert. Außerdem bekommen
Pflegekräftesowie Kassierer ein gerechtes Gehalt. Denn während andere nichts tun konnten,
haben sie uns während der Coronapandemie gerettet.
Ja, Wir hatten es wirklich geschafft.